
Bei weitem keine Heiligen!
Im Zuge von „Grand Theft Auto III“ und „Vice City“ wurde eine regelrechte Open World-Euphorie losgetreten, die bis heute anhält. In diesen rund zwanzig Jahren kamen und gingen unzählige Reihen und Spiele, unter anderem muss man hier die „True Crime“-Titel, „Mafia“ oder „Sleeping Dogs“ nennen. Doch keiner bringt es auf eine ähnlich lange Geschichte wie „GTA“, oder?
Keiner? Doch, denn da gibt es eine Reihe, die schon seit 2006 ihr Unwesen treibt, es mittlerweile auf vier Hauptteile und ein paar Spin-offs gebracht hat und auf den Namen „Saints Row“ hört. Zunächst noch als relativ ernsthafter „GTA“-Klon gestartet, trieben es die Entwickler*innen bei den Titeln aber recht schnell auf die Spitze und irgendwann stand die Reihe für geschmacklosen Blödsinn und wurde nur noch mit einem riesigen, lilafarbenen Dildo, einer legendären Waffe aus Teil 3, in Verbindung gebracht.
Umso gespannter war man somit auf die Entwicklung des fünften Teils. Könnte dieser noch bekloppter als seine Vorgänger werden? Oder geht Entwickler Volition wieder in eine etwas ernsthaftere Richtung? Nun, die Wahrheit liegt nach den ersten Spielstunden mit „Saints Row“ irgendwo dazwischen.
In unserem Test erfahrt ihr, wie sich das neue Open World-Abenteuer der Saints auf der PlayStation5 schlägt und ob es anderen Genre-Größen gefährlich werden kann.
Die Heiligsprechung!
Es ist ein beschauliches Leben in Santa Ileso. In der Rolle einer komplett frei erstellbaren Figur lebt ihr mit euren drei Freunden und der Haus-Katze in einer WG und versucht irgendwie über die Runden zu kommen. Zum Glück habt ihr gerade erst einen neuen Job bei der Sicherheitsfirma Marshall Defense begonnen, der etwas Geld in die Kassen spülen sollte. Doch so richtig rund läuft es nicht, euer Traumjob sah anders aus und auch die vorherrschenden Gangs in Santa Ileso, die Idols und die Panteros, treiben viel zu viel Unsinn, dass man diesen nicht beachten könnte.
Also beschließt ihr eines Tages zusammen mit euren Mitbewohnern eine eigene Gang zu gründen und damit vor allem die Geldsorgen hinter euch zu lassen. Die Saints sind geboren! Dass das von den alteingesessenen Banden und den Ordnungshütern natürlich nicht gerne gesehen wird, versteht sich ja fast von selbst. Und so habt ihr schnell allerhand Ärger an der Backe!
Open World-Allerlei
Wer je schon mal einen Vertreter des Genres gespielt hat, wird sich auch im neuen „Saints Row“ sofort zurecht finden. Denn im Grunde greift das Spiel auf alle Elemente zurück, die man seit dessen Geburt vor rund zwanzig Jahren eingeführt hat.
Neben allerlei Hauptmissionen, die sich vor allem immer auf einen eurer Freunde beziehen und somit auch klar machen, ob es gegen Idols, Panteros, Marshalls oder gar eine LARP-Gruppe…ja, wirklich…geht, gibt es nämlich vor allem zahlreiche Nebenmissionen und -beschäftigungen.
So gebt ihr schlechte Bewertungen bei Läden ab und müsst euch anschließend mit den Folgen auseinandersetzen(zu 99% eine Schießerei mit einer der Fraktionen), erledigt Botendienste unter Zeitlimit oder seid als Mitfahrer darauf aus, eure Verfolger mit allerlei bleihaltigen Argumenten zum Anhalten zu überreden.
Um in den Auseinandersetzungen Oberwasser zu halten, stehen euch allerlei Waffen zur Verfügung, die teilweise noch in einigen Funktionen aufgebessert werden können. Außerdem bekommt ihr diese entweder durch das Erledigen von Missionen freigeschaltet oder fahrt zum lokalen Waffenhändler und rüstet euch dort mit den nötigen Schießeisen aus.
Apropos Läden: in „Saints Row“ gibt es außerdem wieder die Möglichkeit neue Klamotten zu kaufen, euch tätowieren zu lassen oder neue Emotes zu erwerben.
Größer, besser und erfolgreicher
Da das Spiel den Fokus auf den Aufbau eurer Gang, die Saints, legt, drehen sich eben viele Aufträge auch darum. So gilt es neues Geld zu beschaffen und euren Einfluss zu vergrößern. Letzteres könnt ihr auch damit erreichen, dass ihr Stadtteile übernehmt(also alle dortigen Aufgaben erledigt) und euch zusätzliche Geschäfte anschafft. Zum Beispiel könnt ihr Gifttmüll oder Leichen entsorgen und verkauft mit Hilfe von Foodtrucks Drogen unter dem Radar der Cops.
Doch nicht nur Geld spült ihr euch damit in eure Kassen, es gibt natürlich auch Erfahrungspunkte für eure Figur. So schaltet ihr verschiedene Fertigkeiten frei, verbessert euren Charakter dauerhaft und werdet somit in den Kämpfen wesentlich zäher. Neben Schusswaffen gibt es nämlich auch spezielle Sonderfertigkeiten, die ihr dann durch Druck auf R1 und eine der vier Aktionstasten auslösen könnt. So werdet ihr zäher gegen feindliche Angriffe, teilt mehr Schaden aus oder werft verschiedene Granatenarten. Diese Aktionen sind aber beschränkt und können nur aktiviert werden, wenn auch die entsprechende Leiste aufgefüllt ist.
Über euer Smartphone, das ihr mit einem Druck auf das Touchpad zückt, könnt ihr das Alles verwalten und euch einen Überblick über ausstehende Missionen verschaffen. Zusätzlich dazu könnt ihr darüber Kopfgeldjäger-Missionen annehmen, sammelbare Items verwalten, die Karte von Santa Ileso studieren oder euch eine eigene Playlist aus den vielen unterschiedlichen Songs der Radiosender erstellen.
Läuft nicht so rund, oder?
Die „Saints Row“-Serie war ja noch nie dafür bekannt, dass man technische Standards setzt und mit einer astreinen Technik glänzt. Doch gerade nach der Verschiebung um einige Monate hätte man ein runderes Spielerlebnis erwarten können. So werden euch zahlreiche Grafikoptionen in „Saints Row“ angeboten, die aber alle nicht wirklich rund laufen. Egal ob 4K, 1440p oder 1080p und egal ob Fokus auf Bildwiederholungsrate oder Auflösung…es ruckelt immer irgendwo.
Schwerer wiegen da aber die vielen Bugs. Mal fliegen plötzlich irgendwelche anderen Autos durch die Gegend und explodieren vor eurer Nase, mal bleibt ein Gegner an der Ecke der Level-Architektur hängen. Schlimmer war es aber, wenn eure Figur plötzlich die Waffen auf sich richtete und man nicht mehr auf Gegner schießen konnte, von der mangelnden Kollisionsabfrage mal ganz abgesehen. Da sticht eure Figur in Leere, trifft aber trotzdem den Feind oder muss sich erst noch millimetergenau platzieren, um durch eine Tür oder einen Schacht zu kommen. Die meisten der richtig störenden Bugs, wie eben mit den Waffen, konnte man durch das Laden des Spielstands beheben, genervt hat es trotzdem.
Die englische Synchro ist sehr gut geworden, leider sind die Untertitel aber oft viel zu schnell und schlecht getimt. Oft springen diese schon in den nächsten Absatz, der nur aus einem Wort besteht und das obwohl der erste Satz noch gar nicht beendet ist. Die musikalische Untermalung ist gelungen, während einiger Missionen gibt es ausgewählte Songs auf die Ohren, die dann richtig gut zur Situation passen und einem nochmal einen Extra-Schub geben. Ein dickes Lob gibt es auch für die vielen Einstellungsmöglichkeiten, so dass man das Spiel perfekt an seine Belange anpassen kann.
FAZIT: Perfekte Freizeitunterhaltung mit Macken
Ich hatte vor allem mit dem dritten Teil von „Saints Row“ damals meinen Spaß, gerade weil man so viel Schabernack machen konnte und einem das Spiel alle nötigen Werkzeuge dafür an die Hand gab. Doch das Konzept war nach 15 bis 20 Stunden dann auch voll ausgeschöpft und man hatte Alles gesehen. Ähnlich geht es nun auch dem 2022er „Saints Row“.
Die Story rund um den Aufbau eurer Gang, der Übernahme der Stadt und den daraus folgenden Konsequenzen ist für einige Zeit ganz spaßig, doch inhaltlich hat man schnell alles Relevante gesehen und – andere Open World-Erfahrungen vorausgesetzt – sind auch die vielen Missionen und Aufgaben in ihrem Ablauf schon bekannt. Dennoch macht das Spiel gerade aufgrund des eher niedrigen Anspruchs irgendwie Spaß und bereitet einem eine gute Zeit. Sich nach einem stressigen Arbeitstag mal auf die Couch zu setzen und einen No-Brainer zu spielen, ein bißchen rumballern und für Chaos sorgen…dafür ist „Saints Row“ perfekt.
Abseits der oben erwähnten Bugs ist das Spiel einfach etwas unrund inszeniert. Die Zwischensequenzen sind arg statisch, auch die Figuren selber in Mimik und Gestik etwas steif und altmodisch. Andere Spiele hätten aus solchen Missionen wie dem Gefängnisausbruch oder dem Zugraub wesentlich mehr rausgeholt. Immerhin waren die mit cooler Musik untermalt und haben sich so zumindest etwas vom anderen Missions-Allerlei abgehoben.
Bleibt noch die Antwort auf die Frage aus der Einleitung: ist „Saints Row“ genauso albern und blöd wie zum Beispiel Teil 4? Definitiv nicht. Es gibt immer noch einiges an Blödelei, man bleibt aber politisch etwas korrekter. Ich würde sagen, das Alles bewegt sich auf dem Niveau des dritten Teils.
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