Episch aber umstritten
Bei seinem Release im Jahr 2007 war „Mass Effect“ ohne Zweifel eines der besten SciFi-Rollenspiele und bewies wieder einmal wie hoch die Qualität bei Entwickler BioWare ist. Vierzehn Jahre später stellt sich die Situation etwas anders dar…BioWare gehört mittlerweile zu EA und hat mit dem letzten Spiel „Anthem“ eine sagenhafte Bruchlandung hingelegt. Auch mit „Mass Effect“ ging es eigentlich stetig bergab und der einstige Fan-Liebling geriet ordentlich ins Sperrfeuer. Zunächst waren viele mit dem vermehrten Action-Fokus von Teil 2 unzufrieden, dann gab es die Querelen um das Ende von „Mass Effect 3“ und die anschließende Änderung per DLC. Der Abschuss war dann sicherlich „Mass Effect Andromeda“, das sich technisch in einem grausigen Zustand befand und dessen Mimik-Animationen bei einigen Spieler*innen Alpträume hervorriefen.
Doch schaut man sich das Ganze mal ohne die Fan-Brille an, waren alle vier Teile von „Mass Effect“ gute bis epische SciFi-Rollenspiele, die diese immense Kritik eigentlich nicht verdient haben. Nun hat man mit „Mass Effect Legendary Edition“ die Möglichkeit, die ersten drei Teile nachzuholen oder erneut zu erleben. Auch wir haben uns nochmal mit Commander Shepard ins All gewagt und können euch verraten, wie gut beziehungsweise schlecht die Spiele gealtert sind.
Im Dienst des Rates
Durch die Entdeckung einer fortschrittlicheren Technologie als der eigenen, ist es den Menschen gelungen das Reisen durch das All wesentlich angenehmer und vor allem schneller zu gestalten. Dabei ist man aber nicht nur auf neue Planeten und Galaxien gestossen, auch verschiedene Alien-Rassen hat man bei diesen Erkundungen entdeckt. Doch leider ging das alles andere als gut aus, ein Krieg mit den Turianern entbrannte und sorgte für unzählige Tote. Glücklicherweise konnte diese Auseinandersetzung durch Diplomatie und den Einsatz eines Rates, der aus unterschiedlichen Rassen besteht, beendet werden.
Doch eines Tages kommt es während eines Routineeinsatzes von Commander Shepard auf dem Planeten Eden Prime zu einem Konflikt, an dem unter anderem der Turianer Saren beteiligt ist und der bei Shepard eine grausame Vision auslöst. Doch der Bericht über den abtrünnigen Spectre und die trübe Zukunftsaussicht stößt beim Rat nur auf Unglaube, wird aber nach dem Auftauchen einiger Beweise dann doch für wichtig erachtet. Somit wird Commander Shepard in den Status eines Spectre erhoben und ist fortan im Auftrag des Rates unterwegs. Nun liegt es also an auch, den Hintergrund der mysteriöse Vision aufzuklären und Saren zu stellen. Ein Kinderspiel, wenn nicht das Schicksal der ganzen Menschheit in euren Händen liegen würde…
„Mass Effect 2“ und „Mass Effect 3“ spinnen die Handlung um Commander Shepard weiter und erneut ist die Reaper-Bedrohung das allumfassende Problem. Aus Spoilergründen gehen wir hier an dieser Stelle aber nicht weiter auf die Stories der anderen beiden Spiele ein.
Klassische Kost
In Sachen Gameplay bietet sich den Spieler*innen bei „Mass Effect Legendary Edition“ ein actionreiches Rollenspiel. Je nach gewählter Klasse kann euer eigens kreierter Commander Shepard verschiedene Schusswaffen besonders gut handhaben oder verfügt gar über spezielle Tech- und Biotik-Skills mit denen ihr eure Feinde brutzelt oder in der Luft zerreißt. In den Auseinandersetzungen selbst erinnern die Spiele beim Fokus auf Schusswaffen dank zahlreicher Deckungsmöglichkeiten irgendwie an „Gears of War“…so sprintet man bei großem Gegneraufkommen gerne mal von Deckung zu Deckung und feuert dann aus sicherer Position heraus. Nutzt ihr vermehrt eure anderen Fähigkeiten, können diese über ein Waffenrad ausgewählt werden während das Spielgeschehen pausiert.
Natürlich legt BioWare aber auch einen großen Fokus auf die anderen Aspekte eines Rollenspiels. Zum einen könnt ihr zahlreiche Dialoge mit NPCs führen, nehmt so Nebenmissionen an oder klärt gleich ganze Aufträge in verbaler Form. Ab und an muss man also nicht die Waffen sprechen lassen, sondern kann das Ganze zivilisiert ausdiskutieren. Dies ist aber auch abhängig davon, wie ihr euren Commander Shepard gestaltet. So entscheidet ein Moralsystem mit der sogenannten Paragon- und Renegade-Ausrichtung über mögliche Dialogoptionen und nimmt so Einfluss auf das Spiel und teilweise sogar die Folgeteile.
Leveln und erkunden
Dank erledigter Aufträge und während eurer Missionen gibt es nicht nur Erfahrungspunkte, die für einen Levelaufstieg und somit verteilbare Skillpunkte unverzichtbar sind, auch Loot könnt ihr während eurer Erkundungsstreifzüge finden. Neue Rüstungsteile oder Waffen könnt ihr bei Bedarf kurzerhand vergleichen und anlegen oder verschrotten, Rohstoffe nutzt ihr für die Forschung und zum Herstellen neuer Items.
An Bord der Normandy könnt ihr außerdem jederzeit auf die Sternenkarte zugreifen. Von dort aus startet ihr nicht nur auf die regulären Missionen, ihr könnt auch kleinere Planeten ansteuern und per Sonde oder sogar höchstpersönlich erkunden. Dort finden sich neben gefährlichen Kreaturen häufig seltene Materialien und Rohstoffe, die man gut gebrauchen kann.
Innerhalb der Missionen seid ihr immer zu dritt unterwegs, könnt eure Crew vor dem Auftrag aber jedesmal auswählen. Dank unterschiedlicher Klassen könnt ihr so euer Team je nach Bedarf zusammenstellen und seid so immer optimal vorbereitet. Während ihr nur Commander Shepard selbst steuert, gebt ihr euren Begleiter*innen mit Hilfe des D-Pads Anweisungen und habt sie so im Griff.
Immer schon essentiell war auch das Romanzensystem bei „Mass Effect“. So könnt ihr mit zahlreichen NPCs anbandeln, sei es nur für eine Nacht oder eine echte tiefergehende Beziehung eingehen. Doch dafür ist – wie auch im echten Leben – häufig sehr viel Beziehungsarbeit nötig. So erledigt ihr zum Beispiel spezielle Aufträge für euer Love Interest und steigert somit die Chancen auf ein Date.
Licht und Schatten
Grafisch wurden alle drei „Mass Effect“-Spiele aufbereitet und besonders Teil 1 und 2 profitieren von deutlich schöneren Texturen und einer besseren Beleuchtung. Letzteres kann zwar hin und wieder zu komischen Lichtstimmungen führen(besonders bei Gesichtern), sieht aber alles in allem richtig gut aus. Nicht hinwegtäuschen kann die Neuauflage aber über die sehr steifen Animationen, da ist der Standard mittlerweile doch deutlich besser. Was man auch etwas anpassen hätte können, ist die Menüführung. Auch diese ist recht verschachtelt und einfach nicht mehr zeitgemäß.
Ebenfalls auf das Alter zurückzuführen ist die recht gedeckte Farbpalette…diese schmutzigen Töne der Xbox 360- und PlayStation3-Ära sind einfach nicht wegzukriegen. Alles in allem laufen alle drei Spiele aber super, bei unserem Test auf der PlayStation5 konnten wir keine Auffälligkeiten feststellen. Nervig waren nur gelegentliche KI-Aussetzer, durch die Feinde oder Verbündete gerne mal sorgenfrei in die Schussbahn laufen.
In Sachen Akustik begeistern alle drei „Mass Effect“-Spiele mit einem Bomben-Soundtrack und hervorragenden Soundeffekten, die einem das Weltraum-Feeling perfekt vermitteln. Weniger schön ist vor allem die deutsche Synchro von Teil 1 und die fehlende Option, englischen Ton mit deutschen Texten wählen zu können.
FAZIT: Meilensteine mit Altersflecken
„Mass Effect Legendary Edition“ ist die perfekte Version der SciFi-Rollenspiele und prima geeignet, wenn man nochmal Commander Shepards Abenteuer erleben möchte oder gar zum ersten Mal spielen will. Ja, hier und da gibt es Alterserscheinungen…seien es die steifen Animationen, die miese deutsche Synchro von Teil 1, die tristen Farben oder einige fehlende Komfortfunktionen im UI, aber inhaltlich ist das hier ganz großes BioWare-Kino.
Die Geschichte rund um die Reaper-Bedrohung ist nur der Aufhänger für die Erkundung zahlreicher Planeten und Raumstationen. Man trifft auf die unterschiedlichsten Rassen, die euch mal freundlich mal feindlich gesinnt sind und findet nach und nach mehr Begleiter für die eigentliche Mission. Neben der Action gibt es auch einen ganzen Schwung Politik und natürlich – die von den Fans geliebten – Beziehungsmöglichkeiten zu euren Mitstreitern.
Auch 2021 ist „Mass Effect“ eine großartige Reihe, die leider mit ihrem letzten Teil etwas an Glanz eingebüßt hat. Hoffen wir mal, dass Teil 5 nur annähernd so gut wird wie die erste Trilogie.
Noch kurz: in Sachen DLCs bekommt ihr fast alles mit auf der Disc, was es bisher zu den ersten drei Spielen gab. Lediglich ein DLC von Teil 1 fehlt aufgrund eines verloren gegangenen Quellcodes und auch auf den Multiplayer-Modus von Teil 3 müsst ihr verzichten. Ansonsten ist das hier aber das Rund-um-sorglos-Paket.
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